In den letzten Wochen bin ich wieder einmal mehrfach über den Begriff "Vergangenheitsbewältigung" gestolpert. (M)ein einfacher Anlass, hier meine Gedanken dazu niederzuschreiben... und ich bin
dieses Mal sehr gespannt auf die Reaktionen darauf, weil das Thema so komplex wie bewegend ist.
Wenn ich "Vergangenheitsbewältigung" auseinandernehme, dann steht da Vergangenheit und Bewältigung. Und schon stellt sich mir die Frage: Lässt sich die Vergangenheit bewältigen, so ein für alle
Mal?
Vielleicht sollte ich erst mal definieren, was ich an dieser Stelle mit Vergangenheit meine: mir geht es hier im Besonderen um Erfahrungen und Erlebnisse, die uns geprägt haben und uns aber zu
schaffen machen, weil sie eben nicht positiv besetzt sind. Bewältigen klingt für mich nach: ich befasse mich mit etwas, setzte mich damit auseinander, finde eine Lösung, wenn es damit ein Problem
gibt - und bin damit im besten Sinne fertig. Genau das aber, so meine persönliche Erfahrung, klappt oft so einfach nicht.
Ich bin nun keine Therapeutin und mir liegt es auch absolut fern, hier Ratschläge zu geben und ein Patentrezept kenne ich im Übrigen auch nicht. Ich kann nur aus eigenen Erfahrungen berichten und wer damit etwas anfangen kann, der sei herzlich eingeladen, weiterzulesen und/oder sich mit eigenen Gedanken einzubringen.
Erlebnisse und Erfahrungen können so schwerwiegend sein, dass sie ein Trauma auslösen: der Mensch ist mit der konkreten Situation überfordert und es laufen bestimmte biochemische Prozesse im
Körper ab, die für den Moment helfen, die Situation zu überstehen. Je nachdem entwickeln wir als Konsequenz ein bestimmtes Verhaltens-, Denk- und/oder emotionales Muster, um die erlebte Situation
verarbeiten und meistern zu können.
Möglicherweise kann es aber sein, dass viel später ein ganz anderes Erlebnis, das augenscheinlich damit erst mal gar nichts zu tun hat, uns für einen klitzekleinen Moment an die Stress-Situation
von damals "rück-erinnert" - das muss uns noch nicht mal bewusst sein - und ohne Weiteres befinden wir uns in einem alten Reaktionsmuster, das, auch wenn es irgendwann früher einmal sehr nützlich
war, uns für jetzt gerade aber gar nicht weiterhilft, sondern ganz im Gegenteil uns sogar behindert oder gar blockiert! Unsere Gefühle fahren Achterbahn, unsere Gedanken Karussell und über kurz
oder lang stellen sich Frust und Verzweiflung ein, weil wir nicht mehr ein, noch aus wissen, zumal, so mein persönliches Erleben, wenn uns das nicht nur einmal, sondern "irgendwie" immer und
immer wieder passiert.
Soweit mein Versuch, nicht allzu abstrakt zu skizzieren, was genau mein Ausgangspunkt oder viel mehr Hintergrund zur oben gestellte Frage ist: Lässt sich die Vergangenheit bewältigen, so ein für
alle Mal?
Ich glaube nicht. Ich glaube aber ganz sicher, dass wir Strategien entwickeln können, die uns helfen, Stress-Situationen früh zu erkennen und mit etwas Übung geschickt gegenlenken zu können, um
nicht wieder ins selbe Reaktionsmuster zu verfallen, das uns nicht (mehr) hilfreich ist. Ich bin davon überzeugt, dass innere Arbeit, zum Beispiel mit Affirmationen, positiven Gedanken,
Meditation... uns stärkt und uns befähigt, innerlich stabiler zu werden. Ich für mich habe gelernt, dass es mir wichtig ist, die eigene MItte zu bewahren bzw. schnell wieder finden zu können, um
bewusst handlungsfähig zu bleiben und dabei hilft mir innere Achtsamkeit und mitunter auch ein gedachtes "Stopp!" oder "Nein!" Die Liste ist noch viel länger... sie beinhaltet aber vor allem
eines: die Erkenntnis, dass ich meine Vergangenheit nicht im oben genannten Sinne bewältigen, also "ad acta" legen kann. Ich kann aber sehr wohl daran arbeiten, sie zu integrieren. Meine
Vergangenheit macht mich aus, sie ist ein Teil von mir, gehört zu mir, auch wenn ich mit dem einen oder anderen zu hadern habe und vielleicht zu Teilen so ganz und gar nicht stolz darauf bin.
Aber gerade meine daraus erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten kann ich nutzen, um im besten Sinne meiner Selbst bewusst meine Gegenwart zu leben und meine Zukunft zu gestalten - nach meinen
Wünschen, meinen Bedürfnissen und meinen Wertvorstellungen.
Was es dazu braucht, ist ein schlichtes, aber ehrliches "Ja!" Ein Ja zu mir, zu meiner einzigartigen Persönlichkeit, zu all meinen Begabungen und Fähigkeiten, zu meinen Fehlern und
Schwächen. Es geht meines Erachtens darum, das eigene Leben leben zu WOLLEN, denn das gibt die Kraft, an Rückschlägen und Problemen nicht zu verzweifeln, sondern im Gegenteil immer wieder neue
Wege zu finden und das Positive zu sehen. Und so lassen sich die Hürden und Hindernisse, die Tiefen und Untiefen im eigenen Leben mit Mut und innerer Stärke und einer guten Portion Humor annehmen
als das, was sie auch sind: als Herausforderungen zum Wachsen.